Studienstarthilfe und Flexibilitätssemester im BAföG
Die 29. BAföG-Novelle stand am Donnerstag, 16. Mai 2024, auf der Tagesordnung des Bundestages. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes“ (20/11313) wurde gemeinsam mit Anträgen der CDU/CSU-Fraktion (20/11375), der AfD-Fraktion (20/11376) und der Gruppe Die Linke (20/10744) an die Ausschüsse überwiesen. Bei den weiteren Beratungen übernimmt der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung die Federführung.
Ministerin: Bildung für alle, Zugang für alle
Die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte das BAföG eine „große Errungenschaft dieses Landes“ und eine Förderung, die das Versprechen „Bildung für alle, Zugang für alle“ untermauere.
Stark-Watzinger betonte in ihrer Rede im Plenum, dass zur Freiheit in Deutschland auch die Freiheit des Lernens zähle. Die Bundesbildungsministerin erinnerte daran, dass die nun geplante Gesetzesänderung bereits das dritte „Upgrade“ des BAföG in einer Legislatur sei.
CDU/CSU: Inflation frisst die Erhöhung
„Die Ernüchterung ist wahnsinnig groß“, sagte Nadine Schön (CDU/CSU). Die Abgeordnete kritisierte, dass die BAföG-Bedarfssätze zwar im Jahr 2022 erhöht wurden, die Erhöhung jedoch aufgrund der enormen Inflation mittlerweile hinfällig sei. Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung gebe keine Antwort auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten der Studenten. Somit lasse die Regierung „leistungswillige junge Menschen in Ausbildung und Studium im Regen stehen“.
Schön befand: „Aus dieser großen BAföG-Reform ist ein Reförmchen geworden“. Die Abgeordnete forderte, dass die BAföG-Sätze regelmäßig bedarfsgerecht ansteigen müssten.
AfD: Erhöhungen fallen „sehr, sehr mager“ aus
Auch Dr. Götz Frömming (AfD) nannte die 29. Gesetzesänderung „sehr, sehr mager“. Während es für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in knapp sechs Wochen die größte Lohnerhöhung seit 30 Jahren geben werde und die Abgeordneten dann 635 Euro mehr im Monat bekämen, könnten BAföG-Empfänger von solchen Zahlen nur träumen.
Der Abgeordnete kritisierte, dass keine Erhöhungen der BAföG-Bedarfssätze in der geplanten Reform vorgesehen sind. Zudem fragte Frömming, warum der Grundbetrag des Bürgergeldes, über dem des BAföG liege – schließlich würden Studenten nicht weniger als andere heizen, essen und trinken.
SPD lobt finanzielle Unabhängigkeit und Flexibilität
Dr. Lina Seitzl (SPD) hingegen zeigte sich stolz, dass die Bundesregierung bereits das dritte Änderungsgesetz zum BAföG in der aktuellen Legislatur vorgelegt habe. So seien mit den bisherigen Anpassungen nicht nur die Altersgrenze und die Freibeträge angehoben, sondern auch Altschuldnerinnen und Altschuldner entlastet worden. Auch ein Nothilfemechanismus sei im BAföG verankert worden.
In dem aktuellen Gesetzentwurf gehe es nun darum, den Menschen während der Ausbildung noch mehr finanzielle Unabhängigkeit und Flexibilität zu ermöglichen. Zur geplanten Studienstarthilfe in Höhe von eintausend Euro sagte Seitzl: „Das ist nicht nichts, das ist richtig viel Geld.“
FDP: Flexibilitätssemester mindert psychischen Druck
Auch Ria Schröder (FDP) lobte die geplanten Anpassungen des BAföG. So werde mit dem Flexibilitätssemester den Studierenden aller Fachrichtungen der psychische Druck genommen, sich um die Finanzen während des Studiums zu sorgen.
Vielmehr könnten sich junge Menschen dann besser auf ihr Studium fokussieren. Denn schließlich, so befand Schröder: „Mit finanziellen Sorgen, da lernt es sich schlecht.“ Die Abgeordnete lobte, dass die 29. BAföG-Reform in der haushälterisch herausfordernden Lage die richtigen Schwerpunkte gesetzt habe.
Grüne: BAföG erreicht Bedürftige nicht
„Wenn Studierende zwischen warmem Zimmer und warmer Mahlzeit abwägen müssen, dann haben wir ein Problem“, sagte Laura Kraft (Bündnis 90/Die Grünen). Die Abgeordnete kritisierte, dass das BAföG nicht mehr diejenigen erreiche, die es brauchten.
Außerdem müsse das BAföG so verbessert werden, dass es zur aktuellen Lebensrealität der Studierenden passe. Bezüglich der geplanten 29.BAföG-Reform hob die Abgeordnete positiv hervor, dass zukünftig mehr Studierende die Förderung erhalten könnten. Den Antrag der Union nannte Kraft „durchweg dünn“.
Gruppe Die Linke kritisiert „mickrige“ Reform
Nicole Gohlke (Gruppe Die Linke) kritisierte die Ampelregierung für die geplante BAföG-Reform. Diese sei so „mickrig“, dass sogar die Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss und der Bundesrat Nachbesserungen forderten. Die Reform schaffe es nicht, dass das BAföG „gegen Armut schützt, dass es die Existenz sichert und dass es ein Studium absichert“. Das sei enttäuschend, befand Gohlke.
Sie forderte eine Anpassung der BAföG-Sätze und Wohnkosten. Problematisch sei, dass das BAföG nur einen Bruchteil der Studierenden erreiche. Gleiches würde auf die geplante Studienstarthilfe zutreffen. So seien laut Gohlke nur rund drei Prozent der Studienanfängerinnen und Studienanfänger berechtigt, die Studienstarthilfe zu erhalten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Gesetzesnovelle zielt laut Bundesregierung auf Verwaltungsvereinfachungen durch „angemessene Pauschalierungen“ ab. Künftig soll auf Anrechnungsregelungen verzichtet werden. Es sollen außerdem die Freibeträge vom Einkommen der Eltern und Ehe- oder Lebenspartner der Geförderten sowie der Freibeträge bei der Darlehensrückzahlung um fünf Prozent angehoben werden. Dies ermögliche es Studierenden zukünftig, einem Minijob mit einem Einkommen von 556 Euro pro Monat nachzugehen, ohne dass dieser auf die BAföG-Bezüge angerechnet wird.
Zudem sollen die Zuschüsse für die Pflege- und Krankenversicherung erhöht werden, um „dem Durchschnittswert des kassenindividuellen Zusatzbeitrages für 2024 Rechnung zu tragen“. Eine BAföG-Satzerhöhung ist in der Novelle nicht vorgesehen.
Studienstarthilfe von 1.000 Euro
Ferner soll das Kindergeld künftig nicht mehr als Elternunterhalt vom BAföG abgezogen werden, wenn ein Vorleistungsantrag vorliegt. Die Bundesregierung will darüber hinaus eine Studienstarthilfe von 1.000 Euro einführen.
Den einmaligen Zuschuss sollen Studierende unter 25 Jahren aus einkommensschwachen Haushalten mit Sozialleistungsbezug bekommen, um sich für den Studienstart beispielsweise mit einem Laptop oder Lehr- und Lernmaterialien auszustatten.
Flexibilitätssemester und Fachwechsel
Mit dem Änderungsgesetz will die Bundesregierung zudem ein sogenanntes Flexibilitätssemester einführen. Ein solches Semester soll es Studierenden ermöglichen, „ohne Angabe von Gründen über die Förderungshöchstdauer hinaus für ein Semester gefördert zu werden“. Auch sollen Studierende ein Semester länger Zeit bekommen, um aus „wichtigem Grund“ die Fachrichtung zu wechseln.
Liegt ein wichtiger Grund vor, können Studierende zukünftig bis zum Beginn des fünften Semesters das Fach wechseln. Ohne Angabe von Gründen soll ein Fachwechsel bis zum vierten Semester möglich sein. Bisher war ein Wechsel der Fachrichtung nur bis zu Beginn des dritten Semesters möglich. Wie es in dem Gesetzentwurf weiter heißt, soll die monatliche Rückzahlungsrate ab dem kommenden Wintersemester um 20 Euro von 130 Euro auf 150 Euro steigen.
Stellungnahme des Bundesrates
In seiner Stellungnahme zu dem nicht zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf kritisiert der Bundesrat, dass die vom Haushaltsausschuss des Bundestages für das BAföG zur Verfügung stehenden 150 Millionen Euro nicht komplett verwendet werden. „Mit einem ausgeschöpften Finanzrahmen hätte die Studienstarthilfe auf alle Studienanfänger, die BAföG-Leistungen beziehen, ausgeweitet werden können“, schreibt die Länderkammer. Aus ihrer Sicht muss das BAföG die steigenden Lebenshaltungskosten durch zum Beispiel steigende Mieten und die Inflation berücksichtigen.
Das BAföG müsse „existenzsichernd und bedarfsdeckend“ sein und sollte daher aus Sicht des Bundesrates mindestens auf Bürgergeld-Niveau angehoben werden. Auch sei die Erhöhung des Freibetrages um knapp fünf Prozent zu gering. Die Einführung eines Flexibilitätssemesters sei zwar begrüßenswert, aber nicht ausreichend und produziere „unnötigen Verwaltungsaufwand“. Der Bundesrat fordert stattdessen, die gesamte Förderungsdauer um zwei Semester anzuheben.
Gegenäußerung der Bundesregierung
Die Bundesregierung weist die Kritik des Bundesrates zurück, dass für 2024 geringere Kosten als 150 Millionen Euro vorgesehen seien. So würde eine Erweiterung des Kreises der Berechtigten der geplanten Studienstarthilfe und die Anhebung der Bedarfssätze zu deutlich höheren Mehrkosten in den kommenden Jahren führen.
Auch für die Erhöhung der BAföG-Beträge auf Bürgergeld-Niveau stehen laut Bundesregierung keine ausreichenden Mittel zur Verfügung. Eine Anhebung der Förderdauer um zwei Semester lehnt die Bundesregierung ebenfalls ab.
Antrag der CDU/CSU
Die Unionsfraktion setzt sich in ihrem Antrag mit dem Titel „Das BAföG auf die Höhe der Zeit bringen“ (20/11375) dafür ein, die Höhe der BAföG-Regelsätze angesichts steigender Lebenshaltungskosten und der hohen Inflation anzupassen. „Die letzte Erhöhung der Bedarfssätze inklusive des Wohnkostenzuschusses fand vor zwei Jahren statt“, kritisieren die Abgeordneten. Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, eine unabhängige Kommission einzusetzen, die regelmäßig die Höhe der BAföG-Sätze überprüfen und dem Bundestag Vorschläge zur Anpassung des BAföG liefern soll.
Außerdem solle ein Wohnkostenzuschlag eingeführt werden, der sich „aus einem Grundbetrag und einem ortsbezogenen Zuschlag, der sich an der Ortsvergleichsmiete orientiert, zusammensetzt“. Darüber hinaus fordern die Unionsabgeordneten, das BAföG-Antragsverfahren zu digitalisieren und bürokratische Hürden abzubauen. So könnten beispielsweise KI-basierte Anwendungen dabei helfen, die Unterlagen vorab auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen. Bisher seien die Wartezeiten in den BAföG-Ämtern zu lang, kritisieren die Antragsteller. Die Abgeordneten fordern: Ziel müsse am Ende die vollständige Digitalisierung des Antrags- und Bearbeitungsverfahrens sein.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag mit dem Titel „Kernprobleme des BAföG angehen – Antragsverfahren vereinfachen, Zuschuss vom Darlehen entkoppeln, Beiträge erhöhen und Dynamisierung gesetzlich verankern“ (20/11376) unter anderem, die Altersgrenze von 45 auf 30 Jahre zurückzuverlegen. Die Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge solle die Inflation berücksichtigen und eine automatische Dynamisierung der Beträge entsprechend der Inflation gesetzlich verankert werden. Den Vermögensfreibetrag für die Auszubildenden will sie auf 8.500 Euro reduzieren.
Anheben will sie dafür den Kinderbetreuungszuschlag von 160 Euro auf 200 Euro. Die Förderungshöchstdauer für ein Hochschulstudium solle in der Regel zehn Semester zuzüglich zweier Prüfungssemester, Studienaufenthalte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und im übrigen Ausland betragen. Das BAföG für Studenten will die Fraktion als Zuschuss und unverzinsliches Darlehen gewähren, solange die Ausbildungsleistungen den Anforderungen eines ernsthaften Bemühens um Ausbildungserfolg und -abschluss genügen.
Der Zuschuss soll monatlich bis zu 600 Euro betragen. Bei Anspruch auf den Zuschuss solle dem Auszubildenden auf Antrag zusätzlich ein unverzinsliches Darlehen bis zu 600 Euro monatlich gewährt werden. Die Zuschüsse sollen vom Bund getragen, das Darlehen von der Deutschen Ausgleichsbank ausgereicht werden. Fünf Jahre nach Förderende sollen die Darlehensschulden zur Rückzahlung fällig werden.
Antrag der Linken
Die Gruppe Die Linke fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag (20/10744) auf, das BAföG „unverzüglich existenzsichernd und krisenfest“ zu gestalten. In ihrer Vorlage kritisieren die Antragsteller, die von der Bundesregierung geplanten Änderungen reichten „zur Herstellung von Chancengleichheit im Sinne einer Unabhängigkeit von den materiellen Verhältnissen der Herkunftsfamilie“ nicht aus. Die Antragsteller verlangen deshalb eine Reihe von Maßnahmen, um das BAföG „bedarfsdeckend und als Instrument, das sich an soziokulturellen Lebensrealitäten von Studierenden orientiert, zu gestalten“.
Darunter befindet sich zum Beispiel die Forderung, die Ausbildungsförderung nach dem BAföG als rückzahlungsfreien Vollzuschuss zu gewährleisten sowie die Fördersätze „in Höhe der tatsächlichen Kosten für Lebensunterhalt zu gestalten“ und die Altersgrenzen abzuschaffen. Darüber hinaus sprechen sich die Antragsteller dafür aus, Leistungen nach dem BAföG grundsätzlich auch Personen mit einer Duldung, einer Aufenthaltsgestattung oder einer Aufenthaltserlaubnis ohne Wartezeiten zu gewähren. (cha/irs/hau/16.05.2024)